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Eine Reise durch die Zeit unternimmt jeder von uns: in jedem Augenblick machen wir einen Schritt in die Zukunft. Doch sind wir fest an den stetigen Fluss der Zeit gebunden, wir können weder schneller vor geschweige denn zurück. Wer von uns hat nicht schon davon geträumt, einmal in die Zukunft zu reisen, um mit den Lottozahlen der nächsten Ziehungen zurück zu kehren und damit seinem Glück ein wenig nachzuhelfen? In der Trilogie "Zurück in die Zukunft"
wurde Ähnliches sehr schön dargestellt. Mancher Zeitgenosse finsteren
Sinnes dachte vielleicht auch schon daran, in die Vergangenheit zu reisen
und den eigenen Großvater zu ermorden. Wer solche Missetat plant hat
bereits das erste Problem: er kommt mit der
Kausalität
in ärgsten Konflikt! Denn wenn der Großvater zu früh stirbt, kann er nicht
den Vater des Bösewichtes zeugen, womit dieser selbst nicht existiert. Es
ist also gar nicht so einfach, Reisen in der Zeit durchzuführen, zumindest
wenn man durch sie die Ereignisse der Gegenwart nachhaltig beeinflussen
will. Aber fragen wir uns zunächst: sind Zeitreisen überhaupt
grundsätzlich möglich?
Im Prinzip ja, würde es sicher von Radio Eriwan lauten. Es gibt tatsächlich eine recht einfache Methode, in der Zeit zu reisen. Man braucht dazu nicht mehr als ein supermassives Schwarzes Loch, etwa von der Größe, wie es im Zentrum der Milchstraße zu finden ist. Hier kann man seine Rakete vorsichtig auf eine stabile Umlaufbahn möglichst nahe dem Ereignishorizont manövrieren, so dass die Gezeitenkräfte durchaus noch erträglich bleiben. Bei einem stellaren Schwarzen Loch wäre das nicht möglich. Der Ereignishorizont liegt viel näher zur Singularität, so dass die Gezeitenkräfte hier mörderisch wirken und jeden sich nähernden Astronauten zerreißen würden. Unser Astronaut umkreist nun also munter das Milchstraßenzentrum, während seine Kollegen in einer Parkposition weit draußen warten. Was geschieht nun? Wenn die Kollegen die Uhr des Astronauten beobachten sehen sie, dass dessen Zeiger sich immer langsamer bewegen, je näher er dem Ereignishorizont kommt. Der Astronaut sieht das allerdings anders: für ihn geht seine Uhr vollkommen normal, aber er kann erkennen, wie seine Kollegen von Minute zu Minute altern. Ja er sieht den ganzen Kosmos sich schnell entwickeln! Wenn der Astronaut sich nah genug am Horizont des Schwarzen Lochs und lange genug dort aufhält, wird er bei seiner Rückkehr die Beobachter- Kollegen nicht mehr kennen, denn hier haben inzwischen schon mehrere Generationen von Beobachtern ausharren müssen...
Zeit wird also durch Gravitation verlangsamt, wie wir schon wissen. Wenn unser Astronaut seinen Orbit verlässt und zurück kehrt, hat er eine Reise in die Zukunft unternommen. Die ist allerdings irreversibel (nicht umkehrbar), er kann also nicht zurück zu dem Zeitpunkt, an dem er seine Reise antrat. Die Geschichte hat aber noch einen anderen Haken: das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße ist rund 28 000 Lichtjahre entfernt. So alt wird kein Astronaut, um auf normalem Weg dorthin zu gelangen, selbst wenn er mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fliegen könnte! Allerdings könnte man sich die weite Reise auch sparen. Denn denselben Effekt kann man erzielen, wenn man sich mit großen Geschwindigkeiten bewegt. Mit einem geeigneten Antrieb kann der Astronaut in Bereichen nahe der Lichtgeschwindigkeit umherfliegen, in denen dann die Zeitdilatation voll zum Tragen kommt. Wenn er zur Erde heimkehrt, wird er wiederum eine irreversible Reise in die Zukunft gemacht haben. Auf diese Weise wird es also leider nichts mit
unserem Lottogewinn, da wir nicht in unsere Ausgangszeit zurück können.
Auch der Großvater kann beruhigt sein Leben fristen, da niemand auf
solchen Wegen in die Vergangenheit gelangt. Tiplers Bauplan einer Zeitmaschine Man nehme Materie von mindestens 10 Sonnenmassen und presse sie zu einem extrem dünnen Zylinder zusammen, in etwa so, als würde man ein Schwarzes Loch durch eine Spaghettimaschine quetschen. Diesen versetze man dann in hyperschnelle, relativistische Rotation, und schon hat man eine Zeitmaschine, mit welcher man in die Zukunft und in die Vergangenheit reisen kann.
Der
amerikanische Professor für Physik und Mathematik
Frank J. Tipler
hat bereits 1974 einen Artikel veröffentlicht, in welchem er globale
Kausalitätsverletzungen durch einen rotierenden Zylinder beschrieb.
Die Allgemeine Relativitätstheorie, so Tipler, lässt es zu, dass ein
Teilchen durch die umgebende Raumzeit einer Singularität läuft und dabei
zur selben Zeit an seinen Startpunkt wie bei seiner Abreise wieder
ankommt. Anders gesagt, es müsste zweimal durch ein
Wurmloch
laufen und würde so eine zeitartige Schleife bilden. Aber der Weg durch
eine Singularität ist nicht ganz ohne Gefahren, realistischer wäre daher
die Anfertigung eines kompakten Zylinders. In seiner Umgebung ist die
Raumzeit sinusförmig gekrümmt, so dass die Zeit schwingt und nicht mehr
geradlinig von der Gegenwart zur Zukunft läuft.
Die Zeit in der Umgebung eines solchen Zylinders wird also schwingen und ein Körper, der sich sehr vorsichtig nähert, ist nicht zwangsläufig den unangenehmen Verformungen unterworfen wie bei einem Höllentrip durch eine Singularität.
Solch
ein Zylinder sollte theoretisch unendlich lang sein, was natürlich
praktisch unmöglich ist. Das Rezept zur Herstellung einer tatsächlich
funktionierenden Zeitmaschine klingt dennoch recht einfach: Man nehme etwa
200
Neutronensterne
(es darf gerne auch etwas mehr sein!), deren Materie für unseren Zweck
genügend kompakt ist, und ordne sie in einer Reihe an. So ergibt sich ein
Zylinder von rund 20 km Durchmesser und mindestens 4000 km Länge. Damit
keine unbekannten negativen Einflüsse auf die Milchstraße entstehen,
sollte man das Gerät außerhalb der Galaxie aufbauen. Nun muss man "nur"
noch die Rotation der Neutronensterne synchronisieren und sie soweit auf
Trab bringen, dass sie wenigstens auf halbe Lichtgeschwindigkeit kommt, da
sonst die Gefahr besteht, dass der Zylinder kollabiert oder explodiert.
Tipler prognostiziert nun, dass man sich auf einem sehr sorgfältig ausgewähltem spiraligen Kurs der Mitte des Zylinders nähern und in die verschiedenen Zeitzonen eintauchen kann. Je nachdem, wie schnell und wo man in diese Zonen gelangt, kann man beliebig weit in der Zeit vor- und zurückgehen oder sich plötzlich in einer entfernten Galaxie wiederfinden. Um nicht in die chaosartig ineinander verwirbelte Raumzeit zu gelangen, muss man allerdings einen (sehr!) großen Bogen um die Enden des Zylinders machen, hier wäre jeder Aufenthalt absolut tödlich. Hält man sich aber nur in der Mitte des Zylinders auf, könnte man eine gute Chance zum Überleben des Abenteuers haben.
Wie kommt Tipler nun eigentlich zu seiner Überzeugung, dass eine solche "Maschine" in der Tat Zeitreisen ermöglichen könnte? Um das zu verstehen, beschäftigen wir uns ein wenig mit der Allgemeinen Relativitätstheorie:
Nun betrachten wir noch einmal den Zylinder, der
mit mindestens halber Lichtgeschwindigkeit rotieren muss, damit genügend
Fliehkräfte erzeugt werden und er nicht unter der eigenen Gravitation
zusammen bricht.
Es bildet sich eine geschlossene zeitartige Schleife um den Zylinder, ein Zeitreisender kann mit einer Rakete von Lichtkegel zu Lichtkegel gelangen, ohne dass hierzu Geschwindigkeiten über der des Lichts erforderlich wären. Er kann durch vorsichtiges Navigieren auf spiralförmigen Bahnen beliebig rückwärts durch die Zeit reisen, muss aber peinlich darauf acht geben, dem Zylinder nicht zu nahe zu kommen. Allerdings kann er maximal nur bis zu dem Zeitpunkt zurück, an welchem die Zeitmaschine geschaffen wurde. Der Traum, dem Bau der Pyramiden in Ägypten zuzusehen bleibt daher unerfüllt. Anders ist es mit der Zukunftsreise: sie kann beliebig weit in die Zukunft gehen, und dazu muss der Zylinder sogar nur einen kurzen Moment stabil sein.
Wie realistisch ist nun dieser Tipler-Zylinder? Mathematisch und physikalisch gesehen sind Zeitreisen zulässig. Tiplers Berechnungen haben noch heute ihre Gültigkeit, die beschriebene Zeitmaschine würde tatsächlich funktionieren. Aber es gibt schier unüberwindbare Probleme, wollte man wenigstens 10 oder 20 Neutronensterne zusammenschalten. Die erste Schwierigkeit ist, sie über große Entfernungen transportieren zu müssen. Selbst wenn das einer Superzivilisation gelingen könnte, stände sie doch vor der unlösbaren Aufgabe, die Sterne vor dem Kollaps zu bewahren. Die ungeheure Gravitation würde sie sofort vereinigen und zu einem einzigen Schwarzen Loch kollabieren lassen, bevor noch die erforderliche superschnelle Rotation eingestellt werden könnte. Und wer wollte 20 oder gar 200 Neutronensterne dazu bringen, synchron mit mehreren Milliarden Umdrehungen pro Minute zu rotieren? Die Allgemeine Relativitätstheorie birgt vielleicht noch manches Geheimnis, dessen Entdeckung uns dennoch irgendwann Reisen in der Zeit und vor allem auch in interstellaren Distanzen erlauben wird. Eine bessere Ausgabe des
Tipler- Zylinders könnte sogar in der Natur vorkommen, so dass man sich
die Mühe zum Einfang der Neutronensterne
ersparen kann:
kosmische Strings!
Während ein Schwarzes Loch eine eindimensionale, punktförmige Singularität im Raumzeitkontinuum darstellt, ist ein kosmischer String zweidimensional. Zwar auch fast unendlich dünn, kann er sich aber über viele Lichtjahre weit erstrecken und hätte weitaus massivere Wirkungen auf die umgebende Raumzeit. Bis heute hat leider noch niemand einen kosmischen String nachgewiesen, das könnte aber vielleicht irgendwann über den Gravitationslinseneffekt gelingen. Sollten sie wirklich existieren, wären hochentwickelte Intelligenzen eventuell in der Lage, zwei kosmische Strings nebeneinander zu arrangieren, oder einen mit einem Schwarzen Loch zu koppeln. Noch besser wäre, könnte man zwei dieser Exoten mit hoher Geschwindigkeit aufeinander prallen lassen. Durch ein vorsichtiges Manöver in die Nähe des Geschehens würde man dann in die Lage versetzt, jeden Ort im All und zu jeder beliebigen Zeit zu besuchen. Sagt die Theorie...
Dass Einsteins Relativitätstheorie grundsätzlich Zeitreisen nicht verbietet, bewies schon 1949 der Mathematiker Kurt Gödel (1906 bis 1978).
Zu
beginn der Nazi- Herrschaft emigrierte er in die USA, wo er als Professor
in Princeton arbeitete und ihn eine innige Freundschaft mit Einstein
verband. Während er neue Lösungen Einsteinscher Gleichungen fand kam ihm
der Gedanke, dass der Kosmos rotieren könnte. Die Schwerkraft, die das
Universum zusammenhält und vielleicht eines Tages wieder zu dessen Kollaps
führt, könnte durch eine Zentrifugalkraft ausgeglichen werden. Wenn das
der Fall ist, muss nicht zwangsläufig ein beobachtbares Rotationszentrum
existieren, sondern jeder beliebige Beobachter im All sieht das Universum
um sich herum rotieren. Genauso, wie sich alles von jedem Beobachter durch
die Expansion entfernt.
Wenn massive Objekte rotieren, das haben wir schon bei den Schwarzen Löchern gesehen, ziehen sie die umgebende Raumzeit in dieser Rotation mit. Das macht jeder sich drehende Körper, aber dieser Effekt ist bei sehr kleinen Massen, wie z.B. derjenigen der Erde, kaum nachweisbar. Sollte aber das Universum rotieren, könnten die Auswirkungen auf die Raumzeit sehr ausgeprägt sein.
Falls wir in einem rotierenden Universum leben, könnten die Lichtkegel durch die in der Rotation mitgerissene Raumzeit geneigt oder sogar gekippt werden.
Aber auch diese Sache hat leider einen Haken: Falls sich wirklich eine zeitartige Schleife ausbildet, muss der Kosmos etwa eine Umdrehung in 70 Millionen Jahren machen. Wir können nur schwerlich eine Rotation nachweisen, falls sie aber stattfindet, ist diese Geschwindigkeit eher unwahrscheinlich, zu schnell. Und bei einem Alter des Universums von ca. 13 Milliarden Jahren würde die kürzeste zeitartige Schleife einen Umfang von etwa 100 Milliarden Lichtjahren haben. Es wäre damit eine recht langweilige Zeitmaschine! Dennoch geht auch aus Gödels Gleichungen hervor, dass die Relativitätstheorie Zeitreisen durchaus gestattet. Und aus seinen Berechnungen folgt, dass große rotierende Massen die Raumzeit mitreißen und dadurch Lichtkegel kippen können und geschlossene zeitartige Schleifen entstehen. Wie schon weiter oben gesehen, hat das Tipler auch für seine Maschine genutzt.
Wie Sie vielleicht schon dem Abschnitt über Wurmlöcher entnehmen konnten, sind solche Gebilde ebenfalls bestens als Zeitmaschine geeignet. Dass es aber noch einfacher geht, will Prof. Ronald Mallett, ein (vielleicht nicht ganz ernst zu nehmender?) theoretischer Physiker, beweisen: er lässt das Licht eines Lasers im Kreis zirkulieren. Zwar hat Licht keine Masse, aber es soll seinen Berechnungen nach im Quantenbereich ebenfalls Auswirkungen auf die Raumzeit haben. Er hat schon nachgewiesen, dass zirkulierendes Licht in seiner Umgebung eine Art Strudel hervorruft. Nun will Mallett den Strudel auf die Zeit ausdehnen, indem er einen zweiten Laser gegenläufig einsetzt. Das Problem, das sich aus seinen Formeln ergibt, liegt in den extrem hohen Energieverbräuchen. Doch auch hierzu hat der Wissenschaftler eine Lösung parat: er will das Licht durch ultrakalte Substanzen nahe dem absoluten Nullpunkt auf Schritt- Tempo verlangsamen (was tatsächlich funktioniert). Malletts Zeitmaschine scheint daher vorerst weniger für eher warmblütige, zeitreisewillige Menschen geeignet zu sein. Er will auch erst klein beginnen und das Verhalten einzelner Atome untersuchen. Hintergrund seines Forschungstriebs ist sein im
Alter von 33 Jahren zu früh verstorbener Vater, der sich allzu sehr dem
Zigaretten- und Alkoholkonsum gewidmet hatte. Mallett will ihn nun
nachträglich davon abhalten...
Man sieht, es ist nicht sehr einfach mit unseren irdischen Mitteln durch die Zeit zu reisen. Möglicherweise werden sich in der Zukunft ungeahnte Tore öffnen, von denen wir heute noch nichts wissen. Auch bleibt die Frage offen, wenn Zeitreisen wirklich von Physik und Mathematik erlaubt sind, warum wir noch keinen Besuch aus der Zukunft bekamen! So bleibt uns vorerst nur die Hoffnung, dass eines Tages Doc Emmitt Brown den Flux- Kompensator entwickelt und diesen in einen DeLorean einbaut. Zumindest wäre dies eine attraktive und ansprechende Methode, Reisen auf angenehme Weise in die Zeit zu unternehmen!
Letzte Änderung: 13. Februar 2004
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